Das Nest

Also wirklich: Familienplanung! Ich fühlte mich noch nicht bereit dazu. Ich war jung, neugierig darauf, was die Welt an interessanten Dingen für mich bereit hält. Wollte mein Leben genießen – in vollen Zügen.

Na gut, mit den Kindern hätte ich ohnehin nichts am Hut gehabt. Das ist Frauensache, also zumindest Kaninchenfrauensache! Außerdem, aber das fiel mir damals vor lauter Schreck gar nicht ein, konnte ich ja gar keine Kinder mehr zeugen. Schia hatte das irgendwie noch nicht so recht geschnallt. Stolz präsentierte sie mir das gemütliche Heim.

Meine Reaktion fand wohl nicht ihre Zustimmung, denn sie knurrte mich an und verscheuchte mich wieder. Kurze Zeit später kam ein großer Schreck für meine Liebste. Die Menschen zerstörten ihr Nest! Da hätte ich diese lieblosen Wesen am liebsten gebissen. Na gut, ich kann sie ein wenig verstehen. Aus dem Häuschen müffelte es ziemlich streng. Schia hatte auch die Reste von Möhren, Apfel und von unserer Pipi-Ecke in das Nest integriert. Das haben dann auch die großen Mitbewohner gerochen und den Käfig gründlich gesäubert.

Meine Schöne hat danach nie wieder ein Nest gebaut!

Sie kam glücklicherweise schnell über den Verlust hinweg und wir beide eroberten gemeinsam unsere Welt.


Familienplanung?

Wie gesagt: Das kommende Ereignis brachte mich aus dem Tritt.

Also, ich saß da – neben ihr -kuschelte mich an sie und war mit dem Kaninchengott soweit zufrieden. Wir putzten uns gegenseitig die Ohren oder die Stirn. Wir waren ein Herz und eine Seele. Aber plötzlich wurde meine Geliebte unruhig. Sie scharrte in der Streu, dann im Heu. Sie vergrub ihren Kopf tief in den duftenden Halmen. Was mich irritierte: Sie war so hektisch dabei. Als sie mit ihrem Kopf wieder nach oben kam, wäre ich erst vor Lachen fast von meinem Häuschen gefallen. Sie hatte das ganze Maul voller Heu! Ich konnte ihre Vorderzähne in ihrer ganzen Pracht bewundern, so weit hatte sie ihren Mund aufgerissen.

Ich dachte schon, dass sie das Bündel für mich als Futter vorgesehen hätte – nein! Im Gegenteil! Sie hoppelte damit zu ihrem Häuschen und stopfte es dort hinein. Sie wiederholte die Aktion mehrmals über Stunden, bis das Haus rammelvoll war. Zwischendurch – und das fand ich dann gar nicht mehr lustig sondern erschreckend – rupfte sie sich Fell aus ihrer Wamme. Die Wamme ist die Wulst (oder das Wülstchen) unter unserem Kinn. Ich nutze sie ja ganz gern, um meinen Kopf darauf zu lagern, wenn ich einschlafe. Aber meine Liebste hörte gar nicht mehr auf, Fell und Heu in das Häuschen zu schieben.

Ich muss zugeben: Ich stand auf der Leitung. Bis mir dann einfiel, dass ich in so einer kuschligen, duftenden Behausung zu Welt gekommen war! Jetzt fiel der Groschen: Sie baute ein Nest! Aber wir hatten über unsere Zukunft noch gar nicht gesprochen…


Endlich vereint

Der erste Schritt war also getan. Aber Ihr glaubt nicht, wie lange es dauerte. Es kam mir vor, als hätte ich stundenlang so vor meiner Schia gesessen. Mein Hals fing an zu schmerzen und der Nacken wurde steif. Aber ich gab nicht auf. Ich musste ihr signalisieren, dass ich ein ganz liebenswürdiges Kaninchen bin und nur ein wenig mit ihr schmusen wollte.

Und dann passierte es! Endlich, endlich!! Sie leckte meine Nase!!! Dann putzte sie meine Stirn.

Oh, ich war so stolz!

Meine Hartnäckigkeit hatte sie beeindruckt. Ich wurde mutiger. Und kurze Zeit später hüpfte ich vorsichtig neben sie. Sie muss ziemlich verdutzt gewesen sein. Denn sie lief dieses Mal nicht vor mir weg. Ich hatte meine Traumfrau erobert!

Sie akzeptierte mich. Sie nahm mich, wie ich bin. Was dann allerdings geschah, darauf war ich nicht vorbereitet.

 


Annäherung

Meine Menschen – mittlerweile traute ich mich, sie als Teil meiner neuen Familie anzusehen, auch wenn ich sie vorsichtshalber nicht zu nah an mich heranließ – besorgten zwei gleich große Käfige und stellten sie eng aneinander. So konnten mein Mädchen und ich uns beschnuppern, wenn wir mal nicht in dem großen Käfig herumlaufen durften, den die Menschen ‚Wohnung’ nannten.

Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich nach ihrer Wärme sehnte! Die Menschen schienen das zu merken und hatten eine Idee.

Ich glaube, sie gingen nach irgendeinem Lehrbuch vor. Sie setzten meine Geliebte in meinen Käfig. Denn da die Mädels immer ihr Revier verteidigen, muss man sie zum Rammler (in meinem Fall leider: Ex-Rammler), also zum Männchen setzen und nicht umgekehrt. Da saß sie und schnupperte aufgeregt an meinem Häuschen, an meinem Heu, an meinem Fressnapf. Sie strich überall mit ihrem Kinn entlang. Wir Kaninchen haben unter dem Kinn eine Drüse und wenn wir damit über etwas streichen, dann hinterlässt das eine Duftmarke – für andere Kaninchen. Ihr Menschen könnt da mit Euren mickrigen zwanzig Millionen Geruchszellen noch so viel schnuppern, Ihr werdet nichts wahrnehmen! Wir haben immerhin hundert Millionen davon – und sind kleiner als Ihr!!!

Also wir beide lieferten uns einen kleinen Geruchskampf. Ich sog ihren Geruch ein und überstrich die Stellen, die sie markiert hatte, mit meinem Kinn. Das ließ sie nicht auf sich sitzen und markierte die Stelle wieder, dann ich, dann sie…

Nachdem sie mir also gezeigt hatte, wer die Herrin im Haus ist, nahm sie meine Hütte in Besitz. Ihr ahnt es schon: Sie setzte sich oben drauf und starrte hochnäsig zu mir hinunter. Doch das ließ ich nicht zu. Ich ging zu ihr und setzte mich zu ihren Füßen.

Ich weiß: Das Bild ist nicht besonders doll. Darum freut Euch auf nächste Woche! Da werdet Ihr erfahren, wie die Annäherung weiterging.