Das neue Leben

Ab jetzt begann ein neuer Lebensabschnitt für mich.

Ich fühlte mich in der Nähe meiner Liebsten viel entspannter. Dachte nicht mehr nur an das Eine – hihi – Ihr wisst schon… Ich grübelte zwar manchmal darüber nach, was ich eigentlich gerne mit diesem süßen kleinen bunten Kaninchenmädchen machen würde, aber dann vergaß ich es wieder. Meine Gedanken richteten sich eher darauf, wie ich es schaffen könnte in ihren Käfig zu kommen, um mit ihr zusammen zu sein.

Schia hatte sich im Laufe der Wochen auch irgendwie verändert. Sie verscheuchte mich – zwar nicht mit Worten, aber mit deutlichem Knurren und Beißen.

Wenn wir zusammen aus dem Käfig durften, dann legte ich mich einfach nur so zu Boden und wie aus dem nichts, kniff sie mich mit ihrenZähnen ins Hinterteil.

So konnte das doch nicht weitergehen!

Was ist denn gegen Kuscheln einzuwenden? Wir Kaninchen sind nun mal lieber in einer Gruppe als allein. Manchmal fragte ich mich ernsthaft, ob die Hübsche nicht einfach nur einen Knall hatte. Vielleicht war ich an eine Soziopathin geraten? Manchmal allerdings war sie erstaunlich freundlich zu mir, und wir konnten entspannt nebeneinander liegen.

Mittlerweile waren wir beide doch ein ganzes Stück größer geworden. Ich musste öfter meinen Käfig umräumen, um mir Platz zu schaffen. Meiner Schia ging es ähnlich. Sie stieß vorne und hinten auf ihrem Hochsitz ans Gitter.

Die Menschen schienen sich auch ihre Gedanken zu machen….


Tierarzt II

Als ich aufwachte, fühlte ich mich wie zerschlagen. Ich war schon wieder in meinem Plastikkorb und lag auf einem weichen Handtuch. Lustlos knabberte ich an einem Grashalm.

Wir Kaninchen müssen ja immerzu Essen nachschieben, weil wir sonst totale Magenprobleme bekommen. Bei meinen Menschen ist das genau umgekehrt. DIE bekommen Probleme, wenn sie ständig Futter nachschieben. Komische Sache! Ich wollte eigentlich noch ein wenig über diese seltsame Laune der Natur nachdenken, aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich hatte überhaupt keinen Spaß an meinem Heu und hatte einfach nur Angst!

Warum ich ständig Angst habe, fragt Ihr? Na! Schon mal was vom Angsthasen gehört? Eben! Ich bin zwar kein Hase sondern ein Kaninchen, also was völlig anderes, aber Angst haben wir Kaninchen dennoch. Und das ist auch gut so. Was, wenn da plötzlich so ein mutierter Wolf steht, dessen Maul vor Zähnen starrt und an einem schnuppert? Eben! Lieber abhauen, sag ich.

Ach, mir war damals alles egal. Außerdem ziepte es an meinem Genital so komisch. Ich wollte mich ablecken und alles sauber machen, weil es seltsam roch und mit einer eigenartigen Tinktur eingerieben war, aber ich fiel immerzu um.

War eine schlimme Zeit, kann ich Euch sagen!

Ich legte mich auf meinem Handtuch zurecht und grübelte über mein Ende nach. Da erschnupperte ich den Geruch meiner Menschen. Der Duft verstärkte sich und ich wurde nach einer Weile wieder in meinen Käfig (so nennen die Menschenwesen das) gesetzt.

Leute, ich war so fertig! Ich musste erst mal schlafen!

 

 

 

 

 

 

 

Und meine Geliebte sah mir dabei zu….


Tierarzt

Irgendwann im Januar, als ich so um die vier Monate alt war und ausgeschlafen hatte, wurde ich in einen geräumigen Plastikkorb gesteckt. Ich hatte überhaupt keinen Nerv für das Heu und die getrockneten Löwenzahnblätter, die darin verteilt waren. Ich war extrem nervös. Würden sie mich endgültig von meiner Schia trennen? Mittlerweile hatte ich übrigens mitbekommen, dass die Menschenwesen mich ‚Rambo’ und meine Hübsche ‚Schia’ getauft hatten.

Also wollten mich die Menschen loswerden? Hatte ich was falsch gemacht? War ich zu frech zu Schia gewesen? Ich konnte mir nicht erklären, warum ich wieder in die Kälte geschleppt wurde und das laute Brumm-Geräusch ertragen musste.

Plötzlich war ich wieder in der Wärme. Ich saß da in dem Korb auf einem weichen Handtuch und schnupperte. Die Gerüche, die in meine Nase strömten, waren verwirrend und auch ziemlich eklig. Es roch nach Wolf, nach Luchs, auch nach Artgenossen, aber da war auch ein scharfer Geruch – Alkohol oder so.

Leute: Ich bekam es mit der Angst zu tun!

Aus heiterem Himmel zerrte ein großer Mann an meinem Genick und ich musste auf einen kalten Blechtisch. Er drehte mich auf den Rücken. Ich hasse es, auf dem Rücken zu liegen!

Stellt Euch vor: Der tastete an meinen Genitalien rum! Eine Frechheit!!

Ich war empört!! Wirklich!! Ich versuchte, seine Hand mit den Hinterpfoten abzuwehren. Aber noch bevor ich wusste, wie mir geschah, saß ich in einem Plastikkasten und atmete etwas Süßliches ein. Mir wurde fast übel. Mein letzter Gedanke galt Schia. Dann muss ich wohl eingeschlafen sein…


Treffen

Tatsächlich haben mich die Menschen zu meiner großen Freude mit dieser anbetungswürdigen Göttin zusammengebracht. Sie nahm kaum Notiz von mir! Kann man sich das vorstellen??

Ich hatte extra meine beiden Strähnen vor die Ohren geschüttelt und mich ordentlich sauber geleckt und dieses wundervolle Mädchen will nichts von mir wissen!

Na gut, dachte ich, dann schau ich mich eben ein wenig in ihrem Heim um. Auch hier gab es eine solide kleine Hütte zum Draufklettern und sogar zum hineinkriechen. Oh alles roch wunderbar nach meiner Angebeteten. Ich inspizierte auch ihren Fressnapf. Es war das gleiche Futter darin wie in meinem, aber es roch sooo viel besser – nach ihr!

Ich durfte jeden Tag zu einem langen Auslauf in die Freiheit. Vor lauter Freude machte ich große Bocksprünge und trainierte mein ‚Hakenschlagen’. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass mich meine eigenen Hinterbeine überholen und dann musste ich einfach meinen Kopf schütteln. Oder ich sprang in die Luft und drehte mich um die eigene Achse – alles vor Freude darüber, mit meiner Kleinen zusammen zu sein. Sie wirkte allerdings ziemlich reserviert und schien vor mir davon zu laufen. Dabei wollte ich einfach nur mit ihr kuscheln.

Die Menschen, die uns beim Hopsen aufmerksam und meistens lachend beobachteten, benahmen sich seltsam, wenn ich mich meinem Mädchen näherte. Sie gingen meist sofort dazwischen, wenn ich meinem Mädchen mal mit dem Kinn über das hübsche runde Hinterteil strich. Komisch!

Hin und wieder konnten wir ruhig nebeneinanderliegen. Ich habe es mir allerdings liebevoller vorgestellt…

O Mann, nach ein paar Wochen hatte ich wieder so ein einschneidendes Erlebnis. Ich weiss zwar nicht, was geschehen war, aber irgendwie war ich nicht mehr derselbe wie davor….


Eingesperrt

Es verging noch eine ganze Weile, bis ich Kontakt mit ihr aufnehmen konnte. Aber der Reihe nach.

Ich war schon mal glücklich, dass ich nicht allein war. Bisher war ich noch nie allein gewesen. Erst mit meiner Mutter und meinen Geschwistern zusammen. Dann in dem komischen Glaskasten mit meinen Kumpels. Wisst Ihr, das war richtig schön! Meine Mutter hat mich und meine Geschwister immer ordentlich abgeleckt und sauber gemacht. Und mit den Kumpels hab ich gekuschelt und es war so gemütlich und warm. Ich hab mich wohl gefühlt! Ach ja.

Jetzt wurde ich in ein komisches Ding gesteckt. Viel kleiner als der Glaskasten. Aber endlich konnte ich wieder Heu erschnuppern und fressen, fressen, fressen. Alles schien für mich allein zu sein. Auch die komischen grünen Bröckchen waren in einer Schale vorbereitet. Ich hab diese seltsame Schale erst mal umgekippt – wozu hat man seine Zähne. Ich wollte den Riesen zeigen, dass ich meinen eigenen Kopf habe.

Sogar eine Holzkiste war in dem Kasten, sodass ich meine Umgebung auch von oben inspizieren konnte. Aber die hab ich mir erstmal selbst so hin gestellt, wie ich sie brauchte. Mit meinen Zähnen hab ich sie hochkant gestellt, damit ich alles besser überblicken konnte. Also eigentlich gab es an meiner neuen Wohnung nichts auszusetzen.
Nur dass ich allein war. Mein Mädchen war in einem ähnlichen Ding neben mir. Immerhin konnte ich ihren Geruch wahrnehmen. Ich wusste nur nicht, warum wir nicht zusammen sein durften.

Alles in allem war der Tag ganz schön anstrengend. Ich musste mich erst mal ausruhen. Mit dem Geruch von den neuen Wesen, von Heu und meinem Mädchen in der Nase, legte ich mich zum Schlafen… In ein paar Stunden würde ich mir überlegen, wie ich zu meiner Süßen kommen könnte.